Als Christine Brekenfeld massive Blutungen bekommt und in Lebensgefahr gerät, ist sie hochschwanger. In einem Nahtoderlebnis erfährt sie Frieden, Angenommensein und tiefe Liebe. Gefühle, die ihr helfen, nach dem Verlust ihres Babys, optimistisch weiterzuleben.
Womöglich sterbe ich jetzt, in diesem Augenblick. Nicht irgendwann, sondern jetzt, und ich weiß nicht, was kommt. Mein Körper verspannt sich mit Zittern und Zähneklappern. Atmen und Sprechen sind nicht mehr möglich. Da ist ein inneres und äußeres Dagegenstemmen, ein Dagegenhalten. Ich will das jetzt nicht, auf keinen Fall. Hilfe kann nicht so schnell kommen, wie es nötig wäre. Und mir wird bewusst, dass es jetzt, in diesem Augenblick, nichts mehr gibt, das mir helfen kann. Die Situation erscheint aussichtslos.
Geist und Körper, die sich eine lange Zeit dagegen aufgebäumt haben, können irgendwann nicht mehr und scheinen aufzugeben und sich zu entspannen. Und ganz plötzlich ist da dieser Moment der inneren Ruhe. Frieden. Stille. Das Dagegenankämpfen hört auf, und ich ergebe mich - dem Leben, dem Tod, egal was da kommt, ich lasse es geschehen. Ich lasse los. Ohne zu wissen, was mit mir geschieht.
Ein unwahrscheinlich befreiendes Gefühl, das Bewusstsein dehnt sich in alle Richtungen über den Körper hinaus aus, verbunden mit der Empfindung, in die Tiefe zu fallen und dann hochgezogen zu werden in einen orange-goldenen Strudel. Da ist der Körper, ich bin bei ihm, aber nicht in ihm. Ein leuchtender, unendlicher Strudel oder Raum, zuerst dunkler und eng – und am Ende Licht, strahlendes, wärmendes Licht. Einssein, Verschmelzen, Getragensein. Eine tiefe Erfahrung von Frieden, Glückseligkeit, Unendlichkeit und Liebe. Vor allem bedingungslose Liebe. Verbunden mit allem Wissen. Eine Begegnung mit Wahrhaftigkeit und dem Göttlichen. Die Erkenntnis: Ich bin zu Hause angekommen, wirklich zu Hause angekommen – hier gehöre ich hin.
Ich dachte, ich hätte das Leben in der Hand
Im Sommer 2004 war ich hochschwanger. Kurz vor dem errechneten Geburtstermin hat sich ganz plötzlich und unerwartet meine Plazenta vorzeitig gelöst. Durch die massiven Blutungen, die dabei entstehen, ist dies ohne sofortige Hilfe für Mutter und Kind lebensgefährlich. Denn über die Nabelschnur versorgt die Plazenta während der gesamten Schwangerschaft das Kind und hat zum Zeitpunkt der Geburt einen Durchmesser von 15–20 Zentimeter. Löst sie sich, ist das Kind nicht mehr versorgt, ohne Sauerstoff, und die Mutter droht zu verbluten.
Dieses Ereignis hat mich innerhalb weniger Minuten in eine traumatische Situation katapultiert. Mir blieb nichts weiter übrig, als meinem eigenen Verbluten buchstäblich zuzusehen. Die Todesangst war massiv und überwältigend. An diesem Morgen hatte ich gerade eine Verabredung abgesagt. Ich fühlte mich nicht besonders gut.
So beschloss ich, länger als gewöhnlich im Bett zu bleiben. Vielleicht ist auch heute der Tag der Geburt, schoss mir durch den Kopf. Es war mein erstes Kind, und ich hatte keine Erfahrung und wusste nicht so recht, was auf mich zukommen würde. Und so lag das Telefon noch direkt neben meinem Bett, als die heftigen Blutungen begannen. Ich habe sofort reagiert und den Notarzt angerufen und meinen Mann.
Ich glaubte nicht nur zu sterben, vielmehr sprachen alle körperlichen Anzeichen tatsächlich dafür, dass es jetzt so weit war. Denn ich hatte sehr viel Blut verloren, das konnte ich sehen. In jeder Zelle meines Körpers konnte ich spüren, dass ich jetzt sterbe. Das Leben floss aus mir hinaus, und ich schaute zu. Dabei tat sich ein unendlich tiefer, innerer Abgrund auf, gegen den ich mit allen Mitteln kämpfte.
Zur Person
Christine N. Brekenfeld hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, welche Veränderungen ein Nahtoderlebnis in einem Menschen wachrufen kann. Sie ist Heilpraktikern für Psychotherapie und unterstützt Menschen bei ihrer persönlichen und spirituellen Entwicklung, hält Vorträge und Seminare, begleitet Sterbende und Trauernde sowie Menschen in Haft. Mit ihrem Buch möchte Brekenfeld vermitteln, wie es mithilfe verschiedener Übungen möglich ist, die Mut und die Kraft zu gewinnen, die aus der Begegnung mit dem Tod erwachsen.
Dieser Text ist ein Auszug aus Brekenfelds Buch "Begegne dem Tod und gewinne das Leben".
Es war, als würde ich am Rand einer Klippe stehen
Es war, als würde ich am Rand einer Klippe stehen und Hunderte von Metern in eine dunkle Tiefe schauen, und der Boden unter mir bröckelt. Gleichzeitig hörte ich eine innere Stimme, die das ganze Geschehen vollständig negierte und so tat, als würde das gerade alles gar nicht passieren. So als ob es noch irgendetwas zu verhandeln gäbe. Doch konnte ich um die überwältigenden Angst nicht mehr herum. Keine Chance.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich ganz sicher, dass ich das Leben in der Hand hätte, alles im Griff hätte. Jetzt mit 38 Jahren hatte die Todesangst mich gepackt. Eine ungeheure, übermenschliche Kraft hatte mich erfasst, gegen die ich mich nicht mehr wehren konnte. Angst, die begleitet war von Zittern, Zähneklappern und Schweißausbrüchen.
Es fühlte sich wie ein Sturm an, der über mich hinwegfegte und dem ich hilflos und ohnmächtig ausgeliefert war. Ich hatte nichts, aber auch gar nichts mehr in der Hand. Die Einsicht traf mich mit voller Wucht: Es ist eine komplette Illusion zu glauben, das Leben in der Hand zu haben. Eine völlig verrückte Idee. Jetzt hatte das Leben mich in der Hand oder – ich war ihm in die Hände gefallen. Es wurde mit einem Mal still. Ich weiß nicht mehr genau, wie es vor sich ging, aber mit oder durch diese Einsicht habe ich plötzlich losgelassen. Eine innere Kapitulation.
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Ich ergebe mich, dem Leben und dem Tod, egal. Ich kann da gar nicht dagegenhalten. Ich lasse das jetzt geschehen, ohne zu wissen, was kommt. Das war tatsächlich eine willentliche Entscheidung. Und am Ende war ich absolut einverstanden damit, zu sterben und mich diesem inneren Abgrund zu überlassen. Ich erinnere mich daran, dass mein Körper wie von allein eine sehr demütige Bewegung gemacht hat, die Hände nach oben und den Kopf nach unten.
Ich ergebe mich!
In diesem Augenblick schoss mein Bewusstsein rundum über den Körper hinaus. Es fühlte sich so an, als ob ich viel größer als dieser Körper sei. Der Körper war nicht mehr auf mich bezogen. Das Bewusstsein breitete sich unendlich aus. Und gleichzeitig war es trotzdem fokussiert, und ich konnte wahrnehmen. Aha, da ist der Körper. Aber ich war nicht mehr in diesen 1,70 Metern mal 40 Zentimetern drin. Auch diese Erkenntnis traf mich mit voller Wucht.
Ich bin nicht dieser Körper. Und trotzdem konnte ich mit allen Sinnen wahrnehmen. Ich konnte sehen, hören und riechen. Es wurde noch stiller und friedlicher. Alle Angst war verschwunden. Die Zeit stand still. Es gab kein Gestern und kein Morgen mehr. An diesem Tag haben sich in meinem Herzen zwei wesentliche Einsichten verankert: Ich habe nichts in der Hand und ich bin nicht dieser Körper.
Und ich bin im Frieden
Noch immer sehe ich, wie ich in völligem Frieden neben all dem stehe. Neben meinem blutenden Körper und den ängstlichen und verzweifelten Sanitätern um ihn herum, mein Mann panisch telefonierend im Nebenraum. Erst jetzt sah ich das ganze Ausmaß des Blutverlustes. Solange ich in meinem Körper war, war mir nur bewusst, dass er blutete. Jetzt bemerkte ich, wie es überhaupt in dem Zimmer aussah. Für die Sanitäter und für meinen Mann muss das ein erschreckendes Bild gewesen sein. Alles war voller Blut.
Und ich betrachtete das alles und war im Frieden damit. Alles Dagegenankämpfen und jeder Schrecken hatten aufgehört. Was mich überrascht hat, war, dass ich plötzlich auch die Angst und Panik der Sanitäter mitfühlen konnte, so als wäre ich direkt mit ihnen verbunden. Eigentlich wollten sie mich sofort ins Krankenhaus bringen, doch weil der Blutverlust so groß war, haben sie erst einmal alles versucht, um mich bei Bewusstsein zu halten. Denn bei einem solch starken Blutverlust ist es sehr schwer, den Menschen wieder aus der Bewusstlosigkeit zurückzuholen. So wurde die ganze Zeit auf mich eingeredet und Sauerstoff verabreicht.
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Die Zeit stand weiter still und ich war im Frieden. Sie haben mir auch gesagt, dass sie mich ohne Notarzt nicht transportieren dürfen und wir auf den Notarzt warten müssen. Er kam irgendwann, und ich hatte keine Ahnung, wie lange das gedauert hatte. Auch seine Panik konnte ich auf die gleiche Weise spüren. Eine hochschwangere Frau – und völlig unklar, was mit dem Kind ist. Alle waren mit der Situation überfordert, auch das konnte ich spüren.
Und ich war weiter im Frieden mit allem. Aus der Krankenhausakte weiß ich, dass zwischen meinem Notruf und der Ankunft im Krankenhaus etwa 90 Minuten vergangen waren. In meinem Empfinden ging alles rasend schnell. Plötzlich war ich im Krankenhaus. Mein Eintreffen dort löste bei allen Mitarbeitern die Alarmstufe Rot aus.
Alles wurde wegen mir stehen und liegen gelassen. Ich hörte, wie die Krankenschwestern hektisch wurden: "Meine Güte, das viele Blut, die Frau stirbt uns!" Und: "Wir wissen nicht, was mit dem Kind ist!" Und: "Schnell, schnell!" Und: "Oh mein Gott, keine Herztöne mehr, was ist mit dem Kind?" Ich habe das alles gesehen und gehört und war weiter im Frieden damit. Mit allem. Ich war bei meinem Körper, aber nicht in meinem Körper. Da war ein Sog durch die Enge, durch einen organischen orange-goldenen Strudel, zu einem hell strahlenden und warmen Licht. Die stillstehende Zeit. Das Einswerden und Verschmelzen mit diesem Licht, aus dem Glückseligkeit, bedingungslose Liebe und Frieden flossen. Das Gefühl von Zu-Hause-Ankommen, dort zu sein, wo ich hingehöre. Innere Freiheit und eine Begegnung mit der Wahrhaftigkeit und dem Göttlichen.
Die Rückkehr in den Körper
Was mein Sein dazu bewegt hat, sich wieder in den Körper zurückzuziehen, weiß ich nicht. Auch nicht, ob es einen Moment der Umkehr gab. Ich hatte sehr viel Blut verloren und wachte nun mit Geräten um mich herum auf. Noch heute ist mir die große Enttäuschung sehr präsent, ja ein Entsetzen, wieder zurück in diesem Körper zu sein. Oh nein, das kann nicht wahr sein! Jetzt bin ich wieder hier drin. Ein für Außenstehende sehr schwer zu verstehender Moment, gibt es doch für die meisten Menschen augenscheinlich nichts Besseres, als in einem Körper und durch diesen Körper zu leben.
Sofort stellte sich die Frage: Wie komme ich denn jetzt wieder hier raus? Dieser Körper war das Furchtbarste, was mir gerade passieren konnte. Er fühlte sich wahnsinnig eng an. Und total kalt. Es war so eiskalt, als ob ich in der Arktis wäre. Das war so ernüchternd. Ich habe mich gefragt, ob es sich für Kinder so anfühlt, wenn sie auf die Welt kommen. Es fühlte sich nicht gut an, wieder in diesem Körper zu sein. Er war in einem wirklich sehr desolaten Zustand.
Der Arzt, der mich operiert hatte, sagte mir im Nachhinein, es täte ihm leid, aber ihm sei nichts anderes übriggeblieben, als mir so schnell wie möglich den Bauch aufzuschneiden. Nur ein Notkaiserschnitt ist in einem solchen Fall lebensrettend. Das war ein sehr traumatisches Erlebnis, ungefragt den Bauch aufgeschnitten zu bekommen, dafür konnte auch der Arzt nichts. Er hatte sein Bestes gegeben. Neben der Enge und Kälte hatte ich fürchterliche Schmerzen und das Gefühl, in der Mitte durchgeschnitten zu sein.
Mein Kreislauf war abgestürzt, und ich fühlte mich total schwach. Mein kleiner Sohn konnte leider nicht gerettet werden. Er ist gestorben. Die erste Zeit danach war sehr schwer und traurig. Aber trotzdem: Die tiefgreifenden Erfahrungen – Einssein, Frieden, Stille, Unendlichkeit, Glückseligkeit und bedingungslose Liebe – blieben präsent. Erfahrungen, die weit über alles hinausgingen, was ich bis dahin kannte.